„Ich will verstehen“ – ein freier Kommentar zur aktuellen gesellschaftspolitischen Lage

Es gibt viele Dinge auf dieser Welt, die ich gerne verstehen möchte.

In diesem Verlangen, aktuelle Geschehnisse begreifen zu wollen, bin ich aber wohl nicht die einzige.

Vielen meiner Mitmenschen geht es anscheinend ähnlich. Sie fühlen sich oftmals sogar einem Ohnmachtsgefühl ausgesetzt und mit der Frage nach einem ‚Warum?‘ konfrontiert.

In ihrer Verzweiflung, eine Antwort auf diese klägliche Frage zu finden, scheint es allerdings vielen Menschen einfacher zu fallen, anhand potenzieller ‚Schuldigen‘ eine Erklärung zu ersuchen.

Und wahrscheinlich finden wir hier auch das Malheur für all die vermeintlichen Probleme, die unsere Gesellschaft zu spalten drohen: Wir haben aufgehört, einander zuzuhören und zu verstehen – und stattdessen damit begonnen, DAS Böse anzuprangern.

Dabei klammert sich jeder krampfhaft an seiner eigenen Weltanschauung. Eine egoistische Art, wie ich nämlich finde. Andersdenkende werden mit Hass und Gewalt bestraft. Die Frage nach dem „Zu Recht!“ wäre eine andere – aktuell ist es aber viel mehr die Frage danach, warum es Menschen gibt, die anders denken. Nämlich anders entgegen eines humanistischen Verständnisses.

Das dichotome Denken auflösen

Es wird viel über ein WIR HIER und DIE DA gestritten.

Eine, wie ich finde, gefährliche Dichotomie (=Zweiteilung), die unsere Gesellschaft Stück für Stück auseinander reißt.

Doch warum werden wir in zwei derartige Extreme geteilt, wenn es doch eigentlich schöner wäre, wieder ein großes Ganzes zu bilden?

Ja, manch einer möchte dieses große Ganze vielleicht nicht. Aus Angst, dass die eigene Wirklichkeit damit gefährdet werden könnte.

Aber nichts anderes wünsche ich mir für uns, als dass wir wieder an einer gemeinsamen Wirklichkeit arbeiten.

Denn ich ertrage nicht mehr dieses WIR HIER und DIE DA. Warum kommt IHR DORT DRÜBEN nicht HERÜBER ZU UNS? Lasst die Dunkelheit, in die ihr euch zurückgezogen habt, nicht länger Herr über eure Gedanken sein. Die Welt ist doch viel schöner im Lichte einer Nächstenliebe.

Wer oder was sind WIR?

Es gilt für uns, zu verstehen, warum DIE DA sich bewusst aus einem gesellschaftlichen WIR ausgeklammert haben. Dabei stellt sich jedoch gleich die Frage, wie dieses WIR zu definieren ist.

Und wenn es Aufgabe der Politik ist, die Welt zu einem passenden Zuhause für den Menschen zu machen, erhebt sich die Frage: ‚Was ist ein passendes Zuhause für den Menschen?‘ Darüber kann nur entschieden werden, wenn wir uns eine Idee davon bilden, was der Mensch ist oder sein soll.“, sprach einst der Philosoph Hans Jonas aus.1

Doch wieso sollte man überhaupt davon ausgehen, dass WIR HIER den einzig richtigen Orientierungspunkt darstellen?

Ganz einfach: Weil dieses WIR humanistische Grundwerte in sich vereint, die für ein friedliches Zusammenleben unerlässlich sind.

Werte, die den Einzelnen daran erinnern sollen, dass JEDER Mensch egal welcher Ausprägung eine Daseinsberechtigung in dieser Gesellschaft hat und entsprechend respektvoll zu behandeln ist.

Werte, die uns darauf hinweisen, dass eine Nationalität, Kultur oder Religion nicht als ein Ausgrenzungsmechanismus zu missbrauchen ist.

Und nein, hier wird keine linke Antwort auf eine rechte Ausartung formuliert.

Wenn von einem humanistischen Grundverständnis gesprochen wird, so ist hier allein die Rede von einem selbstverständlichen Konsens.

Hierbei kommt es in unserer Gesellschaft auf folgende Werte an:

Auf Individualität: Jeder Mensch hat das Recht dazu, seine Persönlichkeit entsprechend seiner Potenziale zu entfalten sowie diese aktiv zu erproben – ohne dabei das Wohlergehen seiner Mitmenschen zu gefährden. Es gilt immer noch Art. I unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Auf Humanität: Unser gemeinschaftliches Credo muss auf einem respektvollen Miteinander gründen. In dem Zusammenhang ein entscheidender Hinweis vonseiten des deutschen Schriftstellers Hans Kaspers: „Die Humanität erreichte mehr, wenn sie, statt die Gleichheit zu loben, zum Respekt vor dem Wunder der Vielfalt riete.

Auf Solidarität: Der gesellschaftspolitische Konsens besteht darin, stets im Sinne des Gemeinwohls zu handeln. Gerade in Zeiten von Krisen ist es der Zusammenhalt, der uns eine universale Stärke geben kann. Ein Afrikanisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: „Wenn viele Menschen gemeinsam gehen, entsteht ein Weg.

Einzig ein solidarisches MITeinander bringt uns den endgültigen Frieden in die Gesellschaft – und nicht dieses hasserfüllte GEGENeinander im Sinne eines „Wir wollen euch hier nicht haben!“, das Ausgrenzungstendenzen nur noch mehr verstärkt.

Liebe Politik, Probleme können nur mit konkreten Handlungsinitiativen gelöst werden.

Die zunehmende rechte Gewalt ist ein alarmierendes Indiz für einen gesellschaftlichen Systemfehler.

Wir leben in einem demokratischen Staat, der sich jedoch auch seiner Zweitfunktion bewusst sein muss, als ein Rechtsstaat die Würde jedes Einzelnen zu schützen sowie eine öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Beides ist zurzeit in akuter Gefahr.

Dass manche Politiker erkannt haben, dass der Rechtspopulismus ausschließlich von ungelösten Problemen leben würde, ist erfreulich – davon klären sich diese Probleme allerdings nicht von selbst. Statt derartige leere Prognosen zu stellen muss endlich gehandelt werden – und ich weiß nicht, wie viele Menschen von der Basis bereits konkrete Forderungen in dieser Richtung gestellt haben. Aber das scheint die aktuelle Politik tatsächlich wenig zu interessieren. Die Tendenz geht eher dahin, dass unsere PolitikerInnen augenscheinlich selbst verzweifelt im Kreis herumrennen, ohne sich bewusst Gedanken darüber zu machen, wie die immer stärker auflodernden Flammen in unserer Gesellschaft am besten zu ersticken sind. Als eine Sozialdemokratin solch eine Entwicklung wahrzunehmen, ist sehr frustrierend. Und an dieser Stelle wundert es mich nicht, warum Menschen zunehmend das Vertrauen in die Regierungspolitik verlieren; warum die sogenannten ‚Mehrheitsparteien‘ so sehr um den Erhalt ihrer eigenen Fassade zu kämpfen haben.

Natürlich hat da eine AfD leichtes Spiel. Sie bietet diesen zutiefst enttäuschen Menschen eine Art ‚Erste Hilfe‘ für ihre Verletzungen. Und gleichzeitig gibt sie ihnen das vermeintliche Versprechen, etwas verändern zu können. Eben eine alternative Handlungsweise zur gegenwärtigen Regierungspolitik. Traurig nur, dass viele dieser besorgten BürgerInnen noch nicht realisiert haben, dass der Schein trügt. Dass sie selbst nur das Mittel zu einem völlig ekelhaften Zweck darstellen.

Ja, auch die AfD möchte um jeden Preis ein neues WIR in unserer Gesellschaft etablieren. Allerdings ein WIR geformt nach einem nationalistischen Maßstab. Richtig: Menschen werden hierbei nach Äußerlichkeiten bewertet und entsprechend aussortiert. Verspüren Sie gerade in Ihrem Inneren auch ein Kopfschmerzen bereitendes Déjà-Vu…?

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen damit geht, aber mich beschäftigt eine Frage ganz besonders.
Warum denken diese Menschen SO?
Haben sie schon immer SO gedacht?
Oder wann haben sie damit angefangen, SO zu denken?

So … so böswillig? So menschenverachtend?

Warum ich nun verstehen will

Als eine politische Theoretikerin hat es Hannah Arendt damals gut zusammengefasst:

Verstehen heißt nicht, das Empörende leugnen […] Verstehen heißt vielmehr, die Last, die unser Jahrhundert uns auferlegt hat, untersuchen und bewußt tragen – und zwar in einer Weise, die weder deren Existenz leugnet noch sich unter deren Gewicht duckt.“2

Unter diesem Gedanken möchte ich verstehen, wie Links-Rechts-Bewegungen zurück in die Mitte geführt werden können. Ich halte noch einmal fest:

1) Vermeintlich linke Forderungen dürfen nicht länger als nur solche abgestempelt, sondern in selbstverständliche Antworten auf menschenfeindliche Tendenzen umgedeutet werden.

2) Rechtes Gedankengut darf nicht isoliert, sondern muss in seinem inhaltlichen Konstrukt begriffen sowie in einzelne kritische Botschaften aufgetrennt werden.

3) Die ‚Hate Speech‘ vieler Menschen ist eine Rebellion gegen etwas, womit sie nicht zufrieden sind.
Wir müssen also verstehen, worin ihre Unzufriedenheit gründet.

4) Um diesen Menschen zu beweisen, warum die Orientierung nach Rechts KEINE Alternative für Deutschland bedeuten kann, liegt es nun an unserer eigenen Überzeugungskraft.

5) Die Überzeugungsarbeit ist jedoch das eine; vielmehr kommt es auf die Beweisstärke unserer Aufrufe an. Es liegt an uns, unseren Mitmenschen zu beweisen – ja, ihnen wahrhaftig zu demonstrieren, warum die Werte, für die wir stets auf die Straße gehen und unsere Stimme erheben, wenn andere Menschen entgegen dieser Werte ihre rechte Hand in die Luft hissen – warum uns nur der Schutz von Individualität und Humanität sowie die Bereitschaft zur Solidarität den sozialen Frieden zurückbringen kann.

Und wenn andere Menschen verstehen – im selben Sinn, wie ich verstanden habe –, dann gibt mir das eine Befriedigung wie ein Heimatgefühl.“3

Liebe Freunde, ich habe nun verstanden – wir müssen in den nächsten Monaten kämpfen.
Wir müssen kämpfen, weil wir etwas Wertvolles verteidigen müssen.
Nämlich ein Wertesystem, das das Fundament unseres gesellschaftlichen Bandes darstellt. Und wir können und dürfen nicht länger stumm mit ansehen, wie Pluralitätsverachter versuchen, dieses Miteinander niederzureißen.
Lasst uns also die Gewalt unserer Stimme sowie die Kraft unseres sozialdemokratischen Verstandes dafür nutzen, um DEN ANDEREN zu zeigen, dass es für den Erhalt unserer Gesellschaft nur EINEN Weg gibt, denn WIR ALLE zu gehen haben.

„Wir müssen Emotionen für unsere positiven Ziele einsetzen, um dem Einfluss der Populisten entgegenzuwirken.“4


1 in einer Debatte mit der politischen Theoretikerin Hannah Arendt über das „Denken und Handeln“ in der Politik (1972)

2 zitiert nach: „Preface to the First Edition“ (1950), in: The Origins of Totalitarianism

3 Hannah Arendt im Fernsehgespräch mit Günter Gaus (1964)

4 Martha Nussbaum, zitiert nach: http://www.zeit.de/campus/2017/01/martha-nussbaum-philosophin-angst-nutzen-populismus


Bildquelle: fotolia stockpics

Der ewige Vorwurf

Bei der Brexit-Debatte im Bundestag kam er wieder, der ewig Vorwurf,  die SPD stehe nicht zur Agenda 2010.
Mit Wonne rieb es Herr Kauder der SPD und all den Zweiflern unter die Nase, nur den Gürtel enger zu schnallen bringe uns voran, das ist nicht nur das Rezept für Deutschland sondern eben auch für Europa.
  • Ja, das Opfer der Arbeitnehmer und Sozialhilfeempfänger hat Deutschland geholfen,
  • ja, die SPD wird dafür bestraft und die CDU profitiert.

Aber warum? Es ist nicht das Opfer für den Staat, das ist ein Grund zum Stolz; es ist die Einseitigkeit und die Ausnutzung durch die Spitzenverdiener, Investoren, Finanzmärkte, die den Unmut erzeugt. Und es ist eben die CDU, die diese Einseitigkeit zementiert.

In den langen Jahren stagnierender bis rückläufiger Reallöhne, explodierender Spitzengehälter, Boni, Finanzspekulationen, Geldabfuhr in Steuerparadiese, Entzug der Vermögen vor demokratischer, staatlicher Kontrolle über Stiftungen (Gruß an Bertelsmann)  hat der Frust des „kleinen Mannes“ zerstörerische und gefährliche Dimensionen angenommen. Die kalte Abschaffung des Grundgesetz Artikels „Eigentum verpflichtet“ hat in der Bevölkerung einen unlogischen Groll geschürt, der lieber Alles zerstört als dies weiter zu dulden. Der ehrbare Unternehmer, der seinem Unternehmen langfristiges Überleben und damit den Arbeitnehmern ein Auskommen verschafft, ist ein Auslaufmodell.
  • Beispiel Wincor :  statt den mühsamen Weg durch den harten Markt zu gehen, machen die Unternehmer Kasse, verkaufen an den wirtschaftlich schwächeren Diebold und legen sich in die Sonne, oder spekulieren noch ein wenig. Heinz-Nixdorf mag in vielen Fällen ein schwieriger bis unangenehmer Mensch gewesen sein, aber das hätte er nie gemacht.
  • VW Manager ruinieren den Konzern und den Ruf der deutschen Wirtschaft und fordern unverblümt ihre Boni.
  • Banker verweigern vom Bundespräsidenten geforderte Einsicht oder Entschuldigungen und machen munter weiter. Usw.
Kleine Fische? Nötige Opfer, um das scheue Reh des Großkapitals nicht zu verjagen? Oder brennende Pfeile in das kochende Öl der „Volksseele“ [die Problematik des Begriffes ist mir bewusst, soll aber hier nicht vom Thema ablenken]?
Meinungswellenreiter wie Herr Roland Tichy suggerieren uns gerne die Alternativlosigkeit zum Status Quo. AfD und andere instrumentalisieren die Unzufriedenheit zum Machtgewinn ohne sich um die wahren Interessen ihrer Wähler zu kümmern. Wissenschaftliche Handlungsvorschläge verhallen ungehört bei der vom lauten Macht-Marketing tauben Bevölkerung.
Es mag viele Behauptungen geben, wie eine Maßnahme sich in Zukunft auf unseren Staat auswirkt; deshalb ist eine Seriositätsprüfung der Parteien an durchgeführten Maßnahmen oder ein Blick zum Nachbarn der richtige Ansatz.
  • Wie war das mit dem Geschrei um den Mindestlohn? Ist eine Arbeitszeiterfassung wirklich unnötige Bürokratie oder eine klare unverzichtbare Selbstverständlichkeit?
  • Warum droht jeder mit höheren Abgaben, statt mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen oder Spitzensteuersatz zu argumentieren?
  • Ist der kleine Eigenheimbesitzer von der Vermögensabgabe betroffen ?
  • Hätte Herr Trump bei einer höheren Erbschaftsssteuer eigentlich kein Geld für seinen Hass schürenden Wahlkampf?
  • Wo und wie stark setzen die 10% Vermögenden die Hälfte des in Deutschland existierenden Vermögens ein? In Stiftungen, die ihren Meinungsnachwuchs heranziehen?
Diese Fragen sind legitim und nicht mit dem platten „Linke Propaganda“-Vorwurf abzutun.
Die Agenda 2010 war ein ehrenwertes Opfer für Deutschland, das unsolidarische Verhalten zu vieler Spitzenverdiener und die aktuelle Duldung durch die Politik müssen korrigiert werden. Sonst war diese Agenda umsonst.

30 Jahre Umweltschutzministerium

Gegründet nach dem Kernkraftwerksunfall Tschernobyl war Walter Wallmann der 1. Bundesumweltminister. Es folgten Klaus Töpfer, Angela Merkel, Jürgen Trittin,Sigmar Gabriel, Norbert Röttgen, Peter Altmaier und aktuell Barbara Hendricks.

Insbesondere die rot-grünen Minister sind durch ihr Handeln in Erinnerung geblieben. Und heute hat Barbara Hendricks dieses Ressort zu einem wichtigen, zukunftsorientierten Aufgabengebiet entwickelt. Da ist es gut, dass dieses Amt unter Sozialdemokratischer Führung steht.

Zukunftsorientierter Umweltschutz ist nicht nur eine globale Aufgabe, sondern wird auch auf kommunaler Ebene befördert;

  • der Bauausschuss diskutiert den Bau von Windrädern durch Festlegung von Windkonzentrationszonen und Änderung von Flächennutzungsplänen;
  • der Betriebsausschuss des GMP fördert den Ausbau von Solarflächen auf städtischen Gebäuden,
  • der Schulausschuss befürwortet das Programm „Dreh mal ab“;
  • der Ortsverein diskutiert mit den Stadtwerken über zukünftige Strategien, sicherlich auch unter dem Aspekt „Grüne Energie“
  • wir haben im Landesentwicklungsplan die Reduktion des Flächenverbrauches behandelt.
  • bei der Ausweisung von Baugebieten müssen wir den Umweltschutz immer mitdenken; hier geht es nicht nur um die Nistplätze seltener Vögel sondern auch um die Klimaauswirkung von neuer Besiedlung z.B. an der Warburger Straße.

Der Motorisierte Individualverkehr (MIV) ist heute und zukünftig nicht mehr das Maß aller Dinge; ein gut organisierter und von allen bezahlbarer ÖPNV, eine attraktive Gestaltung von Fuß- und Radwegen sind kleine Bausteine auf kommunaler Ebene, um die 2015 in Paris formulierten Klimaziele zu erreichen.

Umweltschutz kommt letztendlich den einzelnen Menschen zu Gute, und zwar sehr oft denen, die sich kein „Häuschen im Grünen“ leisten können.

Deshalb müssen gerade wir Sozialdemokraten diese Umweltschutz-Themen bei anstehenden Entscheidungen mit bedenken und auch auf lokaler Ebene diese Aufgaben mit angehen:

  • Verbessert der ZOB an der Westernmauer unser ÖPNV-Netz in Paderborn und erleichtert einen Wechsel vom Auto zum Bus ?
  • Können Fahrradstraßen, bevorrechtigte Fahrradwege und sichere Abstellplätze noch mehr Bürgerinnen und Bürger zur Fahrradnutzung nicht nur im Freizeitverkehr überzeugen ? Fahrrad statt Auto ist ein aktiver Beitrag gegen Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Flächenverbrauch.
  • Wie können innerstädtische Ruhe- und Klimazonen geschaffen werden ?
  • Wie können Flussläufe renaturiert werden ? Anfänge mit der Beke und der Lippe sind gemacht.
  • Wie können unsere Abwässer bestmöglich gereinigt werden, bevor diese wieder über das Grundwasser in den Wasserkreislauf eingespeist werden ?
  • Wie können wir die Müllvermeidung und Müllverwertung durch städtisches Handeln optimieren ? Wir müssen an der kommunalen Entsorgung festhalten.

Umweltschutz ist nicht unmittelbar kostengünstig, langfristig jedoch sichert Umweltschutz heute unsere Lebensqualität morgen.

Es ist traurig, dass es einer Katastrophe bedurfte, um dieses Ministerium für Umweltschutz zu etablieren – es ist aber gut, dass unsere Gesellschaft und hier gerade die SPD dieses Ministerium in den letzten Jahren zu einem echten Zukunftsministerium entwickelt hat.

Unsere Aufgabe auf kommunaler Ebene ist es, die Auswirkungen unserer Entscheidungen auf die Umwelt immer zu bedenken und durch zukunftsweisende Anträge den Umweltschutz zu bestärken.

Bildquelle: Florian Profitlich

12_Aubke    Burkhard Aubke, Jg. 1953, Rentner, Mitglied des Rates der Stadt Paderborn für die SPD

Eine gerechte Gesellschaft ?

Vorbemerkung

Ich erinnere mich an keinen Wahlkampf in den letzten Jahrzehnten, in denen die SPD nicht die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit gestellt hätte. Diese Zielvorstellung, nachhaltige Verantwortungsethik, Bildungsoptionen, ökologisch-soziale Modernisierungsbestrebungen, sichere Arbeitswelten und ein Interessenausgleich in internationalen Beziehungen gehören für mich zum politischen Markenkern der Sozialdemokratie.

Erschreckend deshalb, dass im Zusammenhang mit den bei Wahlen üblichen empirischen Wahlforschungsanalysen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2016 nur noch 33% der Wähler der SPD Kernkompetenzen im Bereich von sozialer Gerechtigkeit zuschreiben, während noch vor ca. 20 Jahren hier Werte von 60% und mehr gängig waren. Wieso ist das so? Worauf beziehen sich Menschen und was erwarten sie, wenn sie soziale Gerechtigkeit zum Kriterium ihrer Wahlentscheidung erklären?

Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit

Zunächst einmal leitet sich die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit aus objektivierbaren Daten sozialer Ungleichheit her, d.h. solcher Faktoren, die sich vorteilhaft oder nachteilig auf Lebensbedingungen von Menschen auswirken. Sie hat aber auch eine subjektive Dimension, nämlich immer dann, wenn die jeweiligen Lebensumstände im Abgleich mit denen Anderer als gerecht oder ungerecht, legitim oder illegitim erachtet werden.

Unvorteilhafte Lebensbedingungen sind dabei relativ leicht zu fassen: sie machen sich an nachvollziehbaren empirischen Tatbeständen fest. Schwieriger wird es allerdings, wenn es um die damit einhergehenden und daraus resultierenden Deutungen, Rechtfertigungen und Wertungen geht, denen auch alltagstheoretische Vorstellungen zu Grunde liegen, bei denen soziale Merkmale (z.B. Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit), aber auch Annahmen und das Bewusstsein um die Ursachen zur Entstehung von ungleichen Lebensformen bewertungsrelevant und bedeutsam werden. Die Überlegungen zu den Ursachen sozialer Ungleichheit hängen unmittelbar mit den Gerechtigkeitsvorstellungen zusammen. Aus ihnen bestimmt sich, was im Diskurs und Streit um Anteile am gesellschaftlichen Reichtum oder die Organisation der Verteilung, ihre Maßstäbe und Verteilungsprinzipien geboten erscheint.

Die Denkschulen des Liberalismus haben soziale Ungleichheit als unentbehrlich für die gesellschaftliche Ordnung und das Funktionieren der Gesellschaft betrachtet. Ungleichheit wird hier zu einem Steuerungs- und Belohnungselement, um relevante Positionen mit den am besten qualifizierten Personen zu besetzen. Das Leistungsprinzip wird zum entscheidenden Moment zur Sicherung von Eigeninitiative und Selbstverantwortung der Individuen, die in gesellschaftliches Handeln umgesetzt werden. Die daraus resultierende ungleiche Verteilung gilt als gerecht.

Dieser Theorie stehen konflikt- und machttheoretische Auffassungen gegenüber, die in den ungleichen Eigentumsverhältnissen und den damit verbundenen Möglichkeiten von Machtausübung die zentrale Ursache für die ungleiche Verteilung gesellschaftlicher Güter und Vorteile sieht. In ihrer Wirkung destabilisiert dies die Gesellschaft, gefährdet den sozialen Frieden und wird als zutiefst inhuman und ungerecht empfunden. Das daraus folgende Prinzip der Bedarfs- und Teilhabegerechtigkeit äußert sich in einer Vielzahl von konkreten Maßnahmen und speist sich aus einer bunten Facette unterschiedlicher Quellen, wie dem sozialistischen Ideal der Verteilungsgleichheit, dem Konzept sozialstaatlich-karitativer Normierung, etwa in den Verfassungsgrundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates nach Art. 20 GG, oder der Idee eines diskursiven und politisch legitimierten Umverteilungsprozesses.

Aktuelle Befunde einer „gespaltenen“ Gesellschaft

Alle Studien zur sozialen Ungleichheit belegen, dass in Deutschland die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen nach einer Phase moderater Ungleichheit in den 60er und 70er Jahren deutlich angestiegen ist. Diese Aussagen beziehen sich nicht auf einen Vergleich der oberen 2% mit der restlichen Bevölkerung, sondern beschreiben eine grundlegende gesellschaftliche Tendenz. Sie lassen sich auch nicht damit relativieren, dass die Ungleichheitsformen im anglo-amerikanischen Raum noch stärker ausgeprägt sind.

Einige zentrale Befunde ungleicher Verteilung seien hier genannt:

  1. Das oberste Zehntel hat mehr als das 4-fache des verfügbaren Einkommens der unteren 20% der Haushalte.
  2. Noch krasser sind die Ungleichgewichte bei der Verteilung des Vermögens: hier besitzen die reichsten 10% der Gesellschaft mehr als 60%, die reichsten 20% mehr als 80% des Nettovermögens, während etwa 40% der Gesellschaft überhaupt kein Vermögen oder gar Schulden haben.
  3. Die Zunahme von Ungleichheit lässt sich dadurch belegen, dass zwischen 1995 und 2014 die Bruttolöhne um ca. 48%, die Unternehmens- und Vermögenseinkommen (trotz Finanzkrise) um etwa 67% angestiegen sind.
  4. Hinzu kommt das auch von der OECD kritisierte hohe Maß an Chancenungleichheit in Deutschland. In kaum einem Industrieland hängt Bildung so stark von der Herkunft ab; Kinder aus bildungsarmen Schichten schaffen viel seltener universitäre Abschlüsse als Studenten aus dem Bildungsbürgertum.

Angesichts dieser Befunde ist auch der bis Ende der 80er Jahre geltende und mit dem Bild des „Fahrstuhleffekts“ beschriebene Prozess des sozialen Aufstiegs als Folge gestiegener Einkommen und besserer Konsum- und Bildungschancen fragwürdig und brüchig geworden. Die derzeitige Entwicklung lässt sich daher anschaulicher mit der Metapher einer „Rolltreppe“ darstellen, bei der sich die Abstände auf den Treppenstufen zwischen den Individuen verändern. Während es lange nach oben ging, hat sich für einige nunmehr die Fahrtrichtung geändert, wenn auch individuelle Abstiege bislang noch kein Massenphänomen sind. Gleichwohl fährt, kollektiv betrachtet, die Rolltreppe insbesondere für Arbeitnehmer wieder nach unten. Dies ist vornehmlich den Veränderungen in den Arbeitsverhältnissen geschuldet, die längst nicht mehr stabil, sondern vielfach widerrufbar sind. Gesellschaftliche Integration und Stabilität gründete sich in den 60er und 70er Jahren auf unbefristete Stellen mit Kündigungsschutz und sozialer Sicherheit. Heute sind dies nur noch wenig mehr als 2/3 aller Beschäftigungsverhältnisse; alle anderen arbeiten in befristeten, geringfügigen Jobs, in Teilzeit oder als sog. Solo-Selbständige. Ihre Arbeitswelt ist in der Regel nicht geprägt von den großbetrieblichen Strukturen der Industriearbeit im 20. Jahrhundert, sondern durch die Logik einfacher Dienstleistungstätigkeiten (Service, Reinigung, Pflege, Transport), die zur Sicherung der Abläufe flexiblen Einsatz erfordern und kaum Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen. Produktivitätseffekte und Spielräume für eine effizientere Gestaltung in diesen Arbeitsfeldern ergeben sich nicht durch den Einsatz von Maschinen, sondern ausschließlich durch Verringerung des Zeittaktes zu Lasten der Beschäftigten. Diese Entwicklungen haben ein neues Dienstleistungsproletariat entstehen lassen, das, anders als die Industriearbeiterschaft, schwer für eine kollektive Interessenvertretung zu organisieren ist.

Dies wie auch die gestiegene Ungleichheit wirkt sich nicht nur auf den sozialen Zusammenhang innerhalb der Gesellschaft aus, sondern gefährdet auch die Demokratie. Heinz Bude hat in seinem Buch „Das Gefühl der Welt“ die Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern in der Mitte der Gesellschaft eindrucksvoll analysiert. Neben die, die gesellschaftliche Degradierung erlebt haben, treten diejenigen, die sich in ihren kleinen Lebenswelten bedroht fühlen, und sich im alltäglichen Überlebenskampf von den Politikern übergangen sehen. Sie fühlen sich in ihrer Arbeitswelt und im Alltag als die Leidtragenden des Erfolgs der Anderen, fühlen sich missachtet und sind der Überzeugung, dass die Zukunft ihnen nichts mehr verspricht und dass eine Beteiligung an diesem System sich nicht lohnt.

Politische Maßnahmen für eine gerechte Gesellschaft

Was also dagegen tun, um der Spaltung und der Desintegration innerhalb der Gesellschaft entgegenzuwirken? Politische Maßnahmen zur Verringerung von Ungleichheit erhalten hohe Zustimmung. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vom Mai 2016 mit einer repräsentativen Befragung zur „Zukunft des Wohlfahrtsstaates“ und zu den Präferenzen zur Ausrichtung und Finanzierung des Sozialstaates hat ergeben, dass für mehr als 80% der Menschen in Deutschland die soziale Ungleichheit hierzulande zu groß ist. Selbst 72% derer, die die eigene wirtschaftliche Lage als sehr gut einschätzen oder 76% derer, die mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 4000 € teilen diese Ansicht.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen aber auch, dass es eine recht hohe Zustimmung für konkrete Maßnahmen gibt, nicht zuletzt für Steuern auf hohe Vermögen und Erbschaften. Noch populärer als das Drehen an der Steuerschraube sind aber Forderungen zu Entlastungen mittlerer und unterer Einkommen. Hier spiegelt sich die auch in den öffentlichen Diskursen populäre Einschätzung wider, dass der Staat diese Gruppen unnötig hoch belasten würde. Zwar gibt es durchaus beachtliche Unterstützung für eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen und großen Vermögen, aber diese Positionen dürften durchaus mit Gegenwind rechnen. Dies mag auch in der Wahrnehmung begründet sein, dass der Wohlfahrtsstaat, den es zu finanzieren gilt, in den Augen einer relativ großen Bevölkerungsgruppe nicht zur Reduktion von Ungleichheit beitrage.

Angesichts dieser Skepsis am Ausbau des Wohlfahrtsstaates sind ergänzende Überlegungen jenseits von Umverteilungen erforderlich. Der Philosoph John Rawls hat in den 70er Jahren eine Gerechtigkeitstheorie entwickelt, die Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft immer dann als legitim ansieht, wenn sie „den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil“ eröffne. Vor diesem Hintergrund der Gewährung besserer Chancen sind politische Steuerungsmechanismen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen von Arbeitsverhältnissen und damit verbunden eine Anhebung von Löhnen und Gehältern von Erwerbstätigen sowie eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns insbesondere in den oben beschriebenen Dienstleistungstätigkeiten dringlich. Dies könnte ein Beitrag sein, das fundamentale Ungleichgewicht zwischen den Löhnen für Beschäftigte einerseits und Unternehmensgewinnen und Vermögenseinkünften andererseits zu entschärfen. Im Zusammenhang mit dem Rawls‘schen Theorem sind schlussendlich auch politische Initiativen für eine neuen Solidarpakt für sichere Renten und günstigen Wohnraum zu nennen, die den früheren Markenkern der Sozialdemokratie widerspiegeln und wieder erkennbar werden lassen, allerdings an anderer Stelle ausführlicher zu begründen wären.