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Mensch Dreier!

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SPD bemängelt fehlende Rollenklarheit bei Social Media-Accounts des Bürgermeisters

Zu den Diskussionen um die Facebook-Seite des Bürgermeisters nimmt nunmehr auch die Paderborner SPD Stellung: „Mensch Dreier, kann man da nur sagen, da wäre ein wenig mehr Fingerspitzengefühl nützlich gewesen“, kommentiert der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Franz-Josef Henze, die Vorwürfe zu einer unzulässigen Verlinkung städtischen Informationsmaterials mit seinem privaten Facebook-Accounts.

Der Account erweckt den Eindruck, dass es sich hier um eine offizielle Seite der Stadt handelt. Eine derartige Mischung von Mitteilungen ist zumindest sehr fragwürdig.

Ungeachtet aller rechtlicher Bewertungen enthalten die Social Media-Seiten des Michael Dreier neben privaten Eindrücken und Fotos, einer politischen Unterstützung der CDU und ihrer Wahlkampfaktivitäten, vielfältige offizielle Verlautbarungen und Bildmaterial Dreiers als Bürgermeisters. „Diese deutlichen Akzente der Amtstätigkeit erwecken den Eindruck, dass es sich hier um eine offizielle Seite der Stadt handelt. Eine derartige Mischung von Mitteilungen ist zumindest sehr fragwürdig“, so Henze, zumal dann wenn sich erhärten sollte, dass der „Privatmann“ Dreier bis etwa Ende Juli im Impressum auf Facebook und Instagram in seiner Rolle als Bürgermeister fungiert hat.
Erst im Kontext eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei dies geändert worden, wobei Dreier hier zugestanden habe, dass seine Seite bislang offenbar geeignet gewesen sei, den Eindruck zu erwecken, dass es sich um die Seite einer öffentlichen Einrichtung handele. Er werde deshalb zukünftig darauf achten, sie als Privatperson zu betreiben.

Wie weit es sich bei diesen Vorgängen und der Verlinkung tatsächlich um einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des Bürgermeisters, insbesondere auch vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen, handelt, ist aus Sicht der SPD eingehend zu prüfen. Eine saubere Trennung zwischen der privaten Facebook-Seite und den offiziellen  Auftritten, Aussagen und Darstellungen als Vertreter der Stadt ist dringend erforderlich.

Soziale Medien – immer gut informiert?

Mit der Entstehung und Verbreitung des world-wide-web hat sich die Fülle von verfügbaren Informationen sprunghaft erhöht. Dem Nutzer stehen mannigfaltige Informationsangebote und eine perspektivisch breite Berichterstattung zur Verfügung. Die digitalen Technologien entfalteten eine geradezu visionäre Kraft. Auf der Basis des Internets sind neue Wirtschaftszweige entstanden, das Kommunikationsverhalten und die Mediennutzung haben sich grundlegend gewandelt. Die Menschen haben für die Gestaltung ihres Lebens umfängliche und vielfältige Auswahl- wie auch Entscheidungsmöglichkeiten hinzugewonnen.

Eng verknüpft mit dieser Entwicklung war immer auch die Idee und Vorstellung, dass dieses Medium ein Instrument zunehmender demokratischer Partizipation sein könne. Das Internet und die sozialen Medien, so die Verfechter dieser These, würden dazu beitragen, dass mehr Menschen der Zugang zur Öffentlichkeit ermöglicht und mehr Themen zum Gegenstand des öffentlichen Diskurses gemacht werden könnten.

Angepasste Suchergebnisse

So die Theorie. In Zeiten wie diesen jedoch wird immer deutlicher, wie das Internet und die es tragende Netzkultur sich verändert haben. Bereits in 2010 betonte Eric Schmidt, der damalige CEO von Google, in einem Interview mit dem Wall Street Journal, welch große Rolle angepasste Suchergebnisse und Werbung in Zukunft spielen würden:

„Die Technologie wird so gut sein, dass es sehr schwierig für jemanden sein wird, etwas anzusehen oder zu konsumieren, das nicht in irgendeiner Art und Weise für ihn angepasst wurde.“

Diese Zukunftsvision ist heute schon Realität. Wenn zwei Nutzer auf Google nach dem gleichen Begriff suchen, können die Ergebnisse völlig unterschiedlich sein. Die Suchmaschine zieht zahlreiche Faktoren in Betracht, bevor sie ein Ergebnis ausspuckt, darunter persönliche Vorlieben des Nutzers, die Tageszeit und seinen derzeitigen Standort. Wer also nach dem Begriff „Paris“ sucht, erhält je nach seinen Interessen beispielsweise eher Reisetipps für die Stadt der Liebe, Meldungen über Donald Trumps Pläne, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, oder Berichte zu den Pariser Anschlägen vor einem Jahr.

Als Konsequenz dieses Entwicklungsprozesses einer von den großen Internetkonzernen wie Google und Facebook betriebenen und immer weiter voranschreitenden Personalisierung von Inhalten entstehen nach Meinung des Internetaktivisten Eli Pariser Filterblasen, die letztlich zu einer Entmündigung der Individuen führen werden („Filter Bubble: Wie wir im Netz entmündigt werden, 2011). Suchresultate oder der Newsfeed werden mithilfe aufwändiger Algorithmen gefiltert, um dem Nutzer möglichst nur Resultate und Meldungen zu liefern, die für ihn interessant sind. So bekommt der Nutzer im Netz zunehmend nur solche Inhalte angeboten, die seinen Wertvorstellungen und Interessen entsprechen.

Komfortzone „Vorurteile“

Die algorithmischen Informationen werden dabei scheinbar „zufällig“ generiert auf der Basis unserer vorab gespeicherten Vorlieben. Die Informationen beziehen sich nur auf die Welt, die wir uns auf diese Weise mit unserer vorangegangenen Suche selbst erschaffen haben und die wir mögen. Unbequeme Informationen sind so von vornherein ausgeschaltet. Ich empfehle dies zu strittigen Themen mit Menschen auszuprobieren, die nicht unbedingt die eigenen Vorstellungen und Meinungen teilen, z.B. mit dem Begriff „Flüchtling“, o.Ä.

Die neuen Möglichkeiten sozialer Medien haben neben einer veränderten und unterschiedlichen Wahrnehmung der Welt durch den Einzelnen auch massive politische Auswirkungen. Der surfende passive Medienkonsument hat sich zum „user-generated content-Autor“ gewandelt, der sich zu vielerlei Themen mit Gleichgesinnten in themenbezogenen Gruppen vernetzt: Im Internet kann daher jeder Einzelne nicht nur Informationen aufnehmen, sondern zugleich aktiv eigene Informationen und Argumente einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Vor fünfzehn Jahren blickte der amerikanische Politologe und Obama-Berater Cass Sunstein in die Zukunft des personalisierten Internets (Republic.com, Princeton 2001), das von seinen Nutzern alles Unerwünschte fernhält und sie in die Komfortzone ihrer Vorurteile einschließt. Wer sich in den digitalen Filterblasen nur mit sich und seinesgleichen beschäftige, werde intolerant gegenüber Widersprüchen und furchtsam vor der Welt da draußen und damit voraussichtlich auch Totengräber des Gemeinwesens, das auf dem Interesse am Allgemeinen basiere.

Vieles von dieser Prognose scheint sich zu bewahrheiten. Mit dem Aufstieg von Populismus und Autoritarismus verdichten sich die Anzeichen, dass das als demokratischer Heilsbringer gefeierte Netz in seiner heutigen Form dem Rückzug in verkapselte Gemeinschaften dient. In ihnen entsteht und wirkt ein dumpfes Gefühl der Gemeinsamkeit und der Gewissheiten, die Unkalkulierbares ausschließen.

Dass es keine nachrichtenjournalistischen Kriterien sind, nach denen der News Feed errechnet wird, illustrierte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einmal mit diesen Worten: „Ein Eichhörnchen, das gerade in deinem Vorgarten stirbt, ist unter Umständen in diesem Augenblick relevanter für dich als sterbende Menschen in Afrika.“ Wenn das so ist, sind die Achsen und die dazugehörigen Werthaltungen einer zivilisierten Gesellschaft massiv infrage gestellt.

Allerdings sollte jedem bewusst sein, dass das Internet nicht nach dem Konzept des politischen Bürgers entworfen ist. Sein Geschäftsmodell ist nicht die Demokratisierung von Gesellschaft, sondern der Erlös von Werbegeldern. Die wirtschaftliche Dynamik und die psychischen Wirkungen, die mit einer derartigen Konstruktion von Wirklichkeit und personalisierten Versprechen, aber letztlich auch Konsequenzen für das Individuum einhergehen, sind in dem lesenswerten dystopischen Roman von Dave Eggers „The Circle“ (2013) anschaulich erzählt worden. Zukunft oder doch bereits gesellschaftliche Realität?

Was tun?

Nie gab es mehr Wissen als heute und nie eine vergleichbare Menge unstrukturierter Information. Die „sozialen Netzwerke“ ziehen den Content der Massenmedien in ihre Feeds, lehnen aber redaktionelle Verantwortung ab. Dass die britischen Jungwähler nach einem Bericht des „Guardian“ mehrheitlich den Brexit-Wahltag nicht kannten und ihr Stimmrecht verspielten, spricht sicherlich nicht dafür, Facebook und Google den Informationsauftrag zu überlassen.

Das Problem der angepassten Inhalte im Netz ist, dass der Nutzer nicht selbst entscheiden kann, welche Inhalte er zu Gesicht bekommt und welche nicht. Eine Offenlegung der Personalisierungs-Algorithmen wäre hier ein erster Schritt zur Transparenz des Netzes. Souveräne Kunden, die Geschäftsbedingungen bis zur letzten Zeile durchlesen, mag es geben. Souverän ist nur, wer die Geschäftsbedingungen einer individualisierten Bereitstellung von Informationen kennt, die auf algorithmischer Selektion basiert.

Das allein reicht aber nicht. Die politischen Entwicklungen des letzten Jahres zeigen uns, dass die Idee der objektiven Berichterstattung, der multi-perspektivischen Information durch die Medien und die Möglichkeit zur demokratischen Partizipation durch die algorithmische Selektion und die selbsterschaffenen Informationsräume konterkariert wird. Je dreister die Lüge, desto größer die Diskussion.

Durch die Vielzahl der Informationsquellen stellt der sinnvolle Umgang mit dem Internet andere Anforderungen an die Medienkompetenz der Benutzer als die klassischen Medien. Mehr denn je müssen Nutzer befähigt sein, auswählen zu können und kritisch-reflexiv mit Aussagen umgehen zu können.

Bei den vordigitalen Informationen wirkten Herausgeber und Autoren als Selektionsinstanz. Sie verfügten über ethische Vorstellungen und Werthaltungen. Algorithmisch generierte Informationen basieren aber letztlich nicht auf ethischen Kriterien. Die sozialen Medien müssen deshalb den Regeln und Regularien des Pressegesetzes unterworfen werden. Soziale Medien sind als öffentliche Räume zu betrachten, in denen der Kodex respektvoller Information und die Instrumentarien der Gegendarstellung uneingeschränkt Geltung haben.


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