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Müssen KiTas schon digital sein? – Das und mehr gibt es im Bericht aus dem Jugendhilfeausschuss

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Die jüngste Sitzung des Jugendhilfeausschusses stand ganz im Zeichen diverser Anträge zum Haushalt 2018. Wie zu erwarten, waren die Diskussionen durchaus kontrovers und auch mal hitzig. So ist das halt in der Politik. Dazu gab es weitere Anträge von CDU, FDP, den Grünen und von uns. Bei unseren Anträgen ging es unter anderem um die Halbierung des KiTa-Beitrags bzw. um die Anhebung der Beitragsgrenze sowie um den Ausbau der schulpädagogischen Sozialarbeit.

Kindergartenkinder brauchen noch keine Tablets

Erstmals Stimmung kam beim gemeinsamen Antrag von CDU und FDP auf. Beide Fraktionen möchten, dass bereits Kindergartenkinder digital geschult werden. Für das so genannte Projekt „KiTa-Digital“ sollen insgesamt 50.000 Euro im Haushalt eingestellt werden. Laut der beiden Fraktionen wäre das Projekt ideal zur Spielsuchtprävention und gerade Kindergärten, in denen viele Kinder mit Beeinträchtigungen untergebracht seien, würden davon profitieren. Beide Argumentationslinien konnten wir inhaltlich nicht nachvollziehen. Auch die Grünen und die Linken waren der Meinung, dass das digitale Miteinander nicht schon im Kindergartenalter beginnen müsse. Dort sollte noch der direkte soziale Kontakt im Vordergrund stehen. Das sehen wir genauso. Letztendlich wurde dem Antrag trotzdem durch die Stimmen der Mehrheitsfraktion aus CDU und FDP zugestimmt. Bleibt abzuwarten, wie viele Einrichtung nun von der „Möglichkeit“ gebrauch machen.

CDU und FDP kommen schwächer verdienenden nicht entgegen

Ebenso diskutiert wurde unser Antrag zur Halbierung des KiTa-Beitrags im vorletzten KiTa-Jahr und die Anhebung der Beitragsgrenze. Beim letztgenannten Punkt fordern wir die aktuelle Grenze von 25.000 Euro des zu versteuernden Nettoeinkommens auf 35.000 Euro anzuheben. Damit hätten wir die kostenfreie Bildung von der KiTa bis zur Hochschule zwar noch nicht erreicht, aber es wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Leider konnten sich CDU und FDP nicht dazu durchringen, auch mal den schwächer Verdienenden entgegenzukommen, so dass der Antrag abgelehnt wurde.

Zuschüsse für HOT-Jugendcafé sowie für das Freie Begleitungszentrum und für die AIDS-Hilfe

Einstimmigkeit herrschte dann allerdings bei den Anträgen des AWO Kreisverbands Paderborn und beim Antrag des Freien Begleitungszentrums Paderborn. Die AWO hat um die Kostenübernahme für eine halbe Stelle für das HOT Jugendcafé „InScene“ gebeten. Bei der Freien Beratungsstelle Paderborn geht es um eine Stelle zur Begleitung und Beratung von ehrenamtlichen Patenfamilien. Beide Anträge wurden angenommen. In diesen Zusammenhang passt ein Antrag der Linksfraktion, welche die Schaffung von finanziellen und personellen Voraussetzungen fordert, um eine zusätzliche Öffnung des städtischen Jugendtreffs an einem weiteren Wochentag zu ermöglichen. In der anschließenden Diskussion wurde der Antrag durch die CDU modifiziert. Vorgeschlagen wurde, zunächst einen Testballon zu starten. Also Strukturen umzuorganisieren und Angebote für Wochenend-Öffnungszeiten zu schaffen. Dabei soll die HOT-AG einbezogen werden. Vor den Sommerferien könne dann Bilanz gezogen werden. Je nach Ergebnis wäre es dann immer noch machbar, das Personal aufzustocken. Der Antrag der Linksfraktion wurde also zunächst abgelehnt, um schließlich der modifizierten CDU-Variante zuzustimmen.
Zugestimmt wurde – vorbehaltlich der Prüfung durch die Verwaltung – auch dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen die jährliche Fördersumme für die Aids-Hilfe Paderborn von 5.000 Euro auf 20.000 Euro zu erhöhen.

CDU und FDP verweigern „pro familia“ die Unterstützung

Mit 6:7 Stimmen erfuhr hingegen der Antrag, 7000 Euro für die freie Beratungsstelle „pro familia“ einzustellen, eine Ablehnung. Wir hatten ihn gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion gestellt. Wenn die CDU hier argumentiert, dass ein ähnlicher Antrag auch schon im Kreis abgelehnt worden sei, dann macht sie es sich wieder einmal viel zu einfach. Die Beratungsstelle ist gut genutzt. Sie kümmert sich unter anderem um Schwangerschafts-, Paar- und Sexualberatungen. Die sicherlich nicht hohe Summe wäre also gut investiertes Geld gewesen.

Es wäre schön, wenn Paderborn nicht nur eine digitale, sondern auch eine soziale Stadt wäre

Wieder kontrovers ging es dann beim nächsten Antrag der Linken zu. Inhaltlich fordern sie, fünf mehrtägige Ferienfreizeiten mit Übernachtungen zu finanzieren. Während die CDU darauf hinwies, dass es genügend Angebot von freien Trägern gäbe, haben wir angemerkt, dass nicht jeder betroffene Bürger bzw. jede betroffene Bürgerin Zugang zu den entsprechenden Informationen der freien Träger hat. Paderborn sollte sich aus unserer Sicht nicht nur als digitale, sondern auch als soziale Stadt definieren. Die Verwaltung hatte Bedenken, da keine konkreten Anlässe bzw. Bedarfe bekannt seien. Letztendlich haben wir uns auf den Kompromissvorschlag geeinigt, dass die Stadt den aktuellen Bedarf noch einmal erfragt und nach den Sommerferien darüber berichtet.

Bei der Schulsozialarbeit auch die Gymnasien im Blick behalten

Zum Abschluss ging es dann noch um unseren Antrag zum Ausbau der schulpädagogischen Soziarbeit. Des Weiteren hatten die Grünen in einem weiteren Antrag gefordert, dass die Stadt ein Konzept für die schulbezogene Sozialarbeit in weiterführenden Schulen vorlegt. In diesem Zusammenhang betonten auch das Arbeitsamt und Vertreter Paderborner Schulen, wie wichtig die Schulsozialarbeit als Schnittstelle zur Jugendhilfe und als Anknüpfungspunkt zu Bedarfsgemeinschaften sei. Laut Verwaltung gibt es die Sozialarbeit derzeit nicht nur in Grundschulen, sondern auch in Real- und Gesamtschulen. Für Gymnasien wäre sie neu. Wir sehen aber auch in dieser Schulform Bedarf. Nachdem die Verwaltung zugestimmt hat, ein Konzept analog zum Grundschulkonzept zu entwickeln, dort die Gymnasien mit einzubeziehen und bis Sommer ein Konzept zu präsentieren, haben wir unseren Antrag zurückgezogen. Wir werden rechtzeitig nachfragen, wie der aktuelle Stand ist.

Für uns nahmen Claudia Steenkolk und Sabine Angenendt am Jugendhilfeausschuss teil. Die nächste Sitzung findet am 7. Februar um 17 Uhr im Rathaus statt.


Bildnachweis: „Digitale Medien“ / Foto: Mark Heinemann


Soziale Medien – immer gut informiert?

Mit der Entstehung und Verbreitung des world-wide-web hat sich die Fülle von verfügbaren Informationen sprunghaft erhöht. Dem Nutzer stehen mannigfaltige Informationsangebote und eine perspektivisch breite Berichterstattung zur Verfügung. Die digitalen Technologien entfalteten eine geradezu visionäre Kraft. Auf der Basis des Internets sind neue Wirtschaftszweige entstanden, das Kommunikationsverhalten und die Mediennutzung haben sich grundlegend gewandelt. Die Menschen haben für die Gestaltung ihres Lebens umfängliche und vielfältige Auswahl- wie auch Entscheidungsmöglichkeiten hinzugewonnen.

Eng verknüpft mit dieser Entwicklung war immer auch die Idee und Vorstellung, dass dieses Medium ein Instrument zunehmender demokratischer Partizipation sein könne. Das Internet und die sozialen Medien, so die Verfechter dieser These, würden dazu beitragen, dass mehr Menschen der Zugang zur Öffentlichkeit ermöglicht und mehr Themen zum Gegenstand des öffentlichen Diskurses gemacht werden könnten.

Angepasste Suchergebnisse

So die Theorie. In Zeiten wie diesen jedoch wird immer deutlicher, wie das Internet und die es tragende Netzkultur sich verändert haben. Bereits in 2010 betonte Eric Schmidt, der damalige CEO von Google, in einem Interview mit dem Wall Street Journal, welch große Rolle angepasste Suchergebnisse und Werbung in Zukunft spielen würden:

„Die Technologie wird so gut sein, dass es sehr schwierig für jemanden sein wird, etwas anzusehen oder zu konsumieren, das nicht in irgendeiner Art und Weise für ihn angepasst wurde.“

Diese Zukunftsvision ist heute schon Realität. Wenn zwei Nutzer auf Google nach dem gleichen Begriff suchen, können die Ergebnisse völlig unterschiedlich sein. Die Suchmaschine zieht zahlreiche Faktoren in Betracht, bevor sie ein Ergebnis ausspuckt, darunter persönliche Vorlieben des Nutzers, die Tageszeit und seinen derzeitigen Standort. Wer also nach dem Begriff „Paris“ sucht, erhält je nach seinen Interessen beispielsweise eher Reisetipps für die Stadt der Liebe, Meldungen über Donald Trumps Pläne, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, oder Berichte zu den Pariser Anschlägen vor einem Jahr.

Als Konsequenz dieses Entwicklungsprozesses einer von den großen Internetkonzernen wie Google und Facebook betriebenen und immer weiter voranschreitenden Personalisierung von Inhalten entstehen nach Meinung des Internetaktivisten Eli Pariser Filterblasen, die letztlich zu einer Entmündigung der Individuen führen werden („Filter Bubble: Wie wir im Netz entmündigt werden, 2011). Suchresultate oder der Newsfeed werden mithilfe aufwändiger Algorithmen gefiltert, um dem Nutzer möglichst nur Resultate und Meldungen zu liefern, die für ihn interessant sind. So bekommt der Nutzer im Netz zunehmend nur solche Inhalte angeboten, die seinen Wertvorstellungen und Interessen entsprechen.

Komfortzone „Vorurteile“

Die algorithmischen Informationen werden dabei scheinbar „zufällig“ generiert auf der Basis unserer vorab gespeicherten Vorlieben. Die Informationen beziehen sich nur auf die Welt, die wir uns auf diese Weise mit unserer vorangegangenen Suche selbst erschaffen haben und die wir mögen. Unbequeme Informationen sind so von vornherein ausgeschaltet. Ich empfehle dies zu strittigen Themen mit Menschen auszuprobieren, die nicht unbedingt die eigenen Vorstellungen und Meinungen teilen, z.B. mit dem Begriff „Flüchtling“, o.Ä.

Die neuen Möglichkeiten sozialer Medien haben neben einer veränderten und unterschiedlichen Wahrnehmung der Welt durch den Einzelnen auch massive politische Auswirkungen. Der surfende passive Medienkonsument hat sich zum „user-generated content-Autor“ gewandelt, der sich zu vielerlei Themen mit Gleichgesinnten in themenbezogenen Gruppen vernetzt: Im Internet kann daher jeder Einzelne nicht nur Informationen aufnehmen, sondern zugleich aktiv eigene Informationen und Argumente einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Vor fünfzehn Jahren blickte der amerikanische Politologe und Obama-Berater Cass Sunstein in die Zukunft des personalisierten Internets (Republic.com, Princeton 2001), das von seinen Nutzern alles Unerwünschte fernhält und sie in die Komfortzone ihrer Vorurteile einschließt. Wer sich in den digitalen Filterblasen nur mit sich und seinesgleichen beschäftige, werde intolerant gegenüber Widersprüchen und furchtsam vor der Welt da draußen und damit voraussichtlich auch Totengräber des Gemeinwesens, das auf dem Interesse am Allgemeinen basiere.

Vieles von dieser Prognose scheint sich zu bewahrheiten. Mit dem Aufstieg von Populismus und Autoritarismus verdichten sich die Anzeichen, dass das als demokratischer Heilsbringer gefeierte Netz in seiner heutigen Form dem Rückzug in verkapselte Gemeinschaften dient. In ihnen entsteht und wirkt ein dumpfes Gefühl der Gemeinsamkeit und der Gewissheiten, die Unkalkulierbares ausschließen.

Dass es keine nachrichtenjournalistischen Kriterien sind, nach denen der News Feed errechnet wird, illustrierte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einmal mit diesen Worten: „Ein Eichhörnchen, das gerade in deinem Vorgarten stirbt, ist unter Umständen in diesem Augenblick relevanter für dich als sterbende Menschen in Afrika.“ Wenn das so ist, sind die Achsen und die dazugehörigen Werthaltungen einer zivilisierten Gesellschaft massiv infrage gestellt.

Allerdings sollte jedem bewusst sein, dass das Internet nicht nach dem Konzept des politischen Bürgers entworfen ist. Sein Geschäftsmodell ist nicht die Demokratisierung von Gesellschaft, sondern der Erlös von Werbegeldern. Die wirtschaftliche Dynamik und die psychischen Wirkungen, die mit einer derartigen Konstruktion von Wirklichkeit und personalisierten Versprechen, aber letztlich auch Konsequenzen für das Individuum einhergehen, sind in dem lesenswerten dystopischen Roman von Dave Eggers „The Circle“ (2013) anschaulich erzählt worden. Zukunft oder doch bereits gesellschaftliche Realität?

Was tun?

Nie gab es mehr Wissen als heute und nie eine vergleichbare Menge unstrukturierter Information. Die „sozialen Netzwerke“ ziehen den Content der Massenmedien in ihre Feeds, lehnen aber redaktionelle Verantwortung ab. Dass die britischen Jungwähler nach einem Bericht des „Guardian“ mehrheitlich den Brexit-Wahltag nicht kannten und ihr Stimmrecht verspielten, spricht sicherlich nicht dafür, Facebook und Google den Informationsauftrag zu überlassen.

Das Problem der angepassten Inhalte im Netz ist, dass der Nutzer nicht selbst entscheiden kann, welche Inhalte er zu Gesicht bekommt und welche nicht. Eine Offenlegung der Personalisierungs-Algorithmen wäre hier ein erster Schritt zur Transparenz des Netzes. Souveräne Kunden, die Geschäftsbedingungen bis zur letzten Zeile durchlesen, mag es geben. Souverän ist nur, wer die Geschäftsbedingungen einer individualisierten Bereitstellung von Informationen kennt, die auf algorithmischer Selektion basiert.

Das allein reicht aber nicht. Die politischen Entwicklungen des letzten Jahres zeigen uns, dass die Idee der objektiven Berichterstattung, der multi-perspektivischen Information durch die Medien und die Möglichkeit zur demokratischen Partizipation durch die algorithmische Selektion und die selbsterschaffenen Informationsräume konterkariert wird. Je dreister die Lüge, desto größer die Diskussion.

Durch die Vielzahl der Informationsquellen stellt der sinnvolle Umgang mit dem Internet andere Anforderungen an die Medienkompetenz der Benutzer als die klassischen Medien. Mehr denn je müssen Nutzer befähigt sein, auswählen zu können und kritisch-reflexiv mit Aussagen umgehen zu können.

Bei den vordigitalen Informationen wirkten Herausgeber und Autoren als Selektionsinstanz. Sie verfügten über ethische Vorstellungen und Werthaltungen. Algorithmisch generierte Informationen basieren aber letztlich nicht auf ethischen Kriterien. Die sozialen Medien müssen deshalb den Regeln und Regularien des Pressegesetzes unterworfen werden. Soziale Medien sind als öffentliche Räume zu betrachten, in denen der Kodex respektvoller Information und die Instrumentarien der Gegendarstellung uneingeschränkt Geltung haben.


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